Édouard Louis schreibt radikal autobiografisch: Er spricht alles aus – auch wenn es weh tut. Diese Technik tritt jedoch in seinem sechsten Buch «Monique bricht aus» in den Hintergrund. An die Stelle von Zorn, Selbstentblössung und Anklage, wie in seinem Weltbestseller «Das Ende von Eddy», tritt nun Selbstbefragung und Anteilnahme.
«Monique bricht aus» ist beglückend zu lesen. Kraftvolle Szenen, natürliche Dialoge und wertvolle Reflexionen fügen sich hier harmonisch und lustvoll zu einem Ganzen. Man merkt beim Lesen, dass Édouard Louis nicht aus einer Dringlichkeit herausschreibt, sondern aus reinstem Vergnügen. Er hat das Buch auf Wunsch seiner Mutter geschrieben.
Auf 160 Seiten zeichnet Édouard Louis das Portrait einer Mutter, die sich zum zweiten Mal in ihrem Leben aus einer gewalttätigen Beziehung mit einem Alkoholiker befreien muss. Dieses Mal eilt ihr aber der 28jährige Sohn zu Hilfe. Jener Sohn, den sie selbst Jahre zu vor mit ihrem Schwulenhass erniedrigt hat.
Der Ich-Erzähler, der den gleichen Namen wie der Autor trägt, befindet sich als Writer in Residence in Athen, als er mitten in der Nacht einen Anruf von seiner verzweifelten Mutter erhält. Im Hintergrund hört er die Stimme ihres Partners, der die Mutter aufs heftigste beschimpft.
«Ich hörte, wie dieser Mann zu ihr sagte, sie sei nichts als eine Schlampe, eine Nutte, ihr Sohn – ich – sei nichts als eine Schwuchtel. Meine Mutter konnte nicht mehr die Tränen zurückhalten, sie sagte zu mir: Ich weiss auch nicht, warum mein Leben so scheisse ist, warum ich immer an Männer gerate, die wollen, dass ich leide. Bin ich denn so ein schlechter Mensch?»
Die Scham der Mutter, immer wieder gewalttätigen Männern zu verfallen, zieht sich als roter Faden durch «Monique bricht aus» hindurch. Denn Freiheit und Selbstbehauptung muss gelernt werden, wenn man sie nie erfahren hat. In Folge unterstützt der Sohn die Mutter in ihrem Befreiungskampf. Er organisiert aus der Ferne ein Taxi, das Monique in Sicherheit bringt. Und Monique bricht mit 55 Jahren in ein selbstbestimmtes Leben auf.
«Monique bricht aus » ist die Geschichte einer doppelten Metamorphose. Nicht nur die Mutter wandelt sich, sondern auch die Qualität der Beziehung zwischen Mutter-Sohn. Das gemeinsam Erlebte lassen aus Lieblosigkeit Freundschaft entstehen. Das dies möglich ist – trotz allem – zeigt Édouard Louis Buch eindrücklich
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