Der Schweizer Krimi ist vielfältig. Meist ist er zwar etwas verschnarchter als seine skandinavischen Genre-Kollegen, doch auch er hat was drauf. Das haben meine akribischen Ermittlungen bei den Neuerscheinungen ergeben. Hier meine Bestenliste für euch.
«Kalmann» von Joachim B. Schmidt
Kalmann, 34, isländischer Jäger und selbsternannter Sheriff, stapft in der endlosen Ebene Melrakkaslétta durch den Schnee. Unverhofft trifft er auf eine Lache Blut, die im Schnee gefriert. Mann o Mann! Kalmann fühlt sich als wäre er der letzte Mensch auf der ganzen Welt. «Und wenn man der letzte Mensch auf der ganzen Welt ist, ist man froh, wenn man es jemandem erzählen kann.» Doch kaum gesagt, ist es mit Kalmanns Seelenfrieden vorbei. Denn zeitgleich mit Kalmanns Fund ist auch Robert McKenzie, der Fischfangkönig und einzige Hotelbetreiber im Ort verschwunden und die Polizei aus Reykjavik sucht wie wild nach Spuren.
«Kalmann» ist ein kraftvoller Island-Krimi mit viel Herz. Die Sprache exquisit. Die eigenwilligen Charaktere lebensecht. Das Buch ist für den Schweizer Krimipreis 2021 nominiert. Toi, toi, toi!
«Wen die Schatten sterben» von Christof Gasser
Rebecca Kolberg entstammt einer alten, deutschen Adelsfamilie. Sie hat kürzlich das Schlösschen Aaregg in Solothurn geerbt und ist mit ihrem Sohn eingezogen. Dann wird bei Renovationsarbeiten im Keller eine eingemauerte Leiche gefunden. Ermittlungen ergeben, dass es sich bei der Toten um eine Nazi aus den 1940er Jahren handeln könnte. Die Gespenster der Vergangenheit sind aufgeweckt!
«Wenn die Schatten sterben» ist ein mitreissender Krimi, der die Zeiten des Nationalsozialismus in der Schweiz raffiniert, fundiert und kritisch beleuchtet. Christoph Gassers Regio-Kriminalromane stehen regelmässig auf der hiesigen Bestsellerliste.
«Der Bruder» von Christine Brand
Eine investigative Journalistin, eine Rechtsmedizinerin und ein Kripo-Chef haben einen Fall zu lösen. Es geht um das Verschwinden eines Jungen. Die gefährliche Wahrheit, die die drei ans Licht bringen, reicht weit in die 1980er Jahre zurück. Damals hat eine Reihe schrecklichster Verbrechen an Kindern die Schweiz erschüttert.
Diesen Kindern ist dieser fesselnd-schaurig-authentische Thriller gewidmet. Und vielleicht der Umstand geschuldet, dass aus Christine Brand Gerichtsreporterin und eine der erfolgreichsten Schweizer Kriminalautorinnen wurde.
Und wer's mal mit True Crime versuchen möchte: In den nächsten Tagen erscheint von Christine Brand «Wahre Verbrechen. Die dramatischsten Fälle einer Gerichtsreporterin».
«Das Licht in dir ist Dunkelheit» von Marc Voltenauer
Im malerischen Dörfchen Gryon im Kanton Waadt wird ein Toter in der Kirche gefunden. Alles deutet auf einen Racheakt hin, denn die Leiche ist wie Jesus am Kreuz auf den Altar drapiert. Das Ermittlerduo der Kripo Lausanne, Andreas und Karine, übernehmen den «Da Vinci Code», doch vorerst erfolglos: Die Mordserie geht weiter und die Einwohner Gryons werden nervös. Es könnte sein, dass der Täter unter ihnen ist und gemütlich seinen Renversé im Café gleich neben der Kirche trinkt.
Ein atmosphärischer Mix aus Roman noir und Thriller, der unter anderem vom besonderen Charme der Waadtländer Alpen lebt.
«Stumme Schreie» von Petra Ivanov
Der Ermittler Bruno Cavalli kehrt aus den USA in die Schweiz zurück. Sieben Monate lang hat er dort Jagd auf einen Serienmörder gemacht. Unterdessen wurde in Zürich seine Chefstelle neu besetzt. Jetzt muss Cava sich mit langweiligen Amtsdelikten rumschlagen. Als ein Polizist, der von ihm verhört wird, kurz darauf Suizid begeht, gehen die Wellen hoch. Cava muss beweisen, dass nicht seine Methoden, sondern andere Gründe zum Tod geführt haben. Eine gut durchdachte Ermittlungsgeschichte und der 9. Fall für Cava und Staatsanwältin Regina Flint, zwischen denen es auch diesmal wieder knistert.
«MordsSchweiz» von Paul Ott und Barbara Saladin
Mit dieser Sammlung von 25 Kurzkrimis aus der deutsch- und italienischsprachigen Schweiz könnt ihr euch einen Überblick verschaffen, was es im Krimiland Schweiz so alles zu entdecken gibt. Was ich bedaure: Die Anthologie enthält keinen einzigen Texte aus der Romandie. Schade, denn ich hätte gerne einen Kurzkrimi aus der Feder von beispielsweise Joseph Incardona oder Quentin Mouron genossen.
Die Bücherliste
- Joachim B. Schmidt: «Kalmann» (Diogenes, 2020)
- Christof Gasser: «Wenn die Schatten sterben» (Emons, 2021)
- Christine Brand: «Der Bruder» (Blanvalet, 2021)
- Christine Brand: «Wahre Verbrechen. Die dramatischsten Fälle einer Gerichtsreporterin» (Blanvalet, 2021)
- Marc Voltenauer: «Das Licht in dir ist Dunkelheit» (Emons, 2021)
- Petra Ivanov: «Stumme Schreie» (Unionsverlag, 2021)
- Paul Ott und Barbara Saladin (Hrsg.): «MordsSchweiz» (Gmeiner, 2021)
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