Luftig leicht: «Susanna» von Alex Capus

In seinem neuen historischen Roman erzählt Alex Capus die Geschichte von «Susanna» Carolina Faesch aus Basel. Sie kommt 1844 zur Welt und wandert als Achtjährige mit der Mutter nach New York aus. Dort wird sie Portraitmalerin. Wie sich das liest? Unterhaltsam, finde ich. 

Susanna  verkörpert eine emanzipierte Frau, die bereits im 19. Jahrhundert selbst bestimmt durchs Leben geht. Eine alleinerziehende, abenteuerlustige Künstlerin. Mit vierzig startet sie nochmals durch. Verlässt ihr sicheres Zuhause und bricht mit ihrem Sohn in den Mittleren Westen auf. Auf der Suche nach Sitting Bull. Denn ihr Sohn ist seit Jahren fasziniert von Buffalo Bill's Wild West Show, in der Indianer das Massaker ihres eigenen Volkes nachspielen.

• Mitreissend.  Besonders die Mutter von Susanna beeindruckt mit ihrem Mut, den Aufbruch in die Neue Welt zu wagen. Von heute auf morgen verlässt sie ihren Mann und ihre Söhne, um einer noch unerklärten grossen Liebe in eine ungewisse Zukunft zu folgen. 

• Atmosphärisch. Alex Capus versteht es vergangene Zeiten zum Leben zu erwecken. Seit «Munziger Pascha» (1997) beweist er das Buch für  Buch. Dieses Mal tauchen wir ein in eine  Epoche im Umbruch. Dampfmaschinen stampfen unermüdlich, Auswanderer aus aller Welt suchen in Übersee ihr Glück, während die amerikanische Urbevölkerung um ihr Überleben kämpft. 

• Einprägsam. Die Geschichte fängt gleich mit einer starken Szene an: als kleines Mädchen sticht Susanna einem Pferdeknecht mit ihrem Zeigefinger das Auge aus, weil sie glaubt, sich gegen ihn wehren zu müssen … Und ich als Leserin will sofort begreifen, was das zu bedeuten hat und lese weiter und weiter. 

• Wenig Pioniergeist . Alex Capus «Susanna» beruht auf einer historischen Figur, die schon von anderen bearbeitet wurde. «Woman Walks Ahead» heisst der Film, mit Hollywood-Star Jessica Chastain – und auch ein anderer Schweizer Autor – Thomas Brunnschweiler – hat schon darübergeschrieben.

• Zu gross angelegt.  Alex Capus holt auf nur 286 Seiten sehr weit aus. Angesichts der schieren Erzähl-Fülle bleibt da die Figurenzeichnung  auf der Strecke. Susanna & Co bleiben seltsam blass.

Alex Capus wurde 1961 in der Normandie geboren. Er lebt heute in Olten. Er schreibt Romane, Kurzgeschichten und Reportagen. Für sein literarisches Schaffen wurde er u.a. mit dem Solothurner Kunstpreis 2020 ausgezeichnet. 

Das Buch: Alex Capus: «Susanna» (Hanser, 2022)